Was wurde eigentlich aus der Blockchain?


Bereits Anfang 2016, bevor der große Hype um die Blockchain begann, habe ich mich in einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kritisch damit auseinandergesetzt. Vier Jahre später redet kaum jemand mehr davon – und wenn, dann eher über die negativen Umweltfolgen (durch hohen Stromverbrauch) der Kryptowährungen oder damit in Zusammenhang stehenden kriminellen Aktivitäten. Aber wo sind die sonstigen, angeblich revolutionären, nicht nur die Finanzwelt auf den Kopf stellenden Anwendungen der Blockchain geblieben? War alles nur eine durch Bestseller-Autoren, Start-Up Gründer und die diese finanzierenden Risikokapitalgeber getriebener Hype, die einen stillen Tod stirbt?

 

 

Die Entwicklung (wie in der Abbildung repräsentiert durch die Zahl an Beiträgen mit dem Stichwort „Blockchain“ auf Reuters.com) ähnelt einem klassischen Gartner-Zyklus. Nach einem Hype (Ende 2017) folgt eine Phase der Konsolidierung. 2019 wurde die Diskussion wieder durch die Facebook-Währung „Libra“ angeheizt.

 

Tatsächlich waren wegen der hohen Komplexität der Technologie viele (eigentlich nur in Proof-of-Concept vorhandene) Projekte zum Scheitern verurteilt. Ein wesentlicher Aspekt dieser Komplexität liegt in der Notwendigkeit der Kooperation unter heterogenen Playern (siehe die Dimension Rivalität versus Kooperation im Competitiveness-Modell), um diese Technologie als Infrastruktur zu etablieren. Standards können sich nur über die Zusammenarbeit mehrerer Player etablieren. Statt bestehende Anwendungen und den damit verbundenen Markt wie eine Schumpeterianische Innovation einfach hinwegzufegen, wie viele Proponenten meinten, muss sich die Technologie an bestehenden, rivalisierenden Lösungen messen lassen, insbesondere in Bezug auf Effizienz und Zuverlässigkeit. Und dies erweist sich als mühsamer Prozess.

 

 

Ein Beispiel ist die naheliegende Anwendung der Blockchain-Technologie zur Rückverfolgung der Lieferkette, etwa bei Lebensmitteln, oder bei Luxusgütern zur Überprüfung der Echtheit und der Herkunft – ein wesentlicher Aspekt der Kooperations-Dimension. Für ihre Lebensmittel setzt etwa Nestle auf die Blockchain, während andere Firmen traditionelle Datenbanken verwenden.

 

 

Ein weiteres Beispiel liefert ein aktueller Beitrag aus unserer eigenen Forschung (Lehner/Schützeneder/Sametinger, 2020), wo die Blockchain und darauf laufende Tokens und Smart Contracts zur Projektkoordination und Projektsteuerung diskutiert werden. Das stellt eine Möglichkeit dar, die sich unter einer mittlerweile unüberblickbaren Vielfalt an Tools in diesem Umfeld bewähren muss.

 

 

Blockchain-Anwendungen enthalten (a) die Möglichkeit der Anonymität (Verschlüsselung und selektiver Zugang zu Information über Schlüssel-Management) und vor allem (b) eine Ergebnisorientierung (Tokens und Smart Contracts), statt einem Fokus auf die Überwachung der Prozesse. Dies sollte einerseits Führungserfordernisse reduzieren und andererseits den Mitarbeitern ein Stück Autonomie zurückgeben, welche sie durch den Zwang der Nutzung einer Vielzahl an Apps und Kommunikationskanälen verloren haben.

 

Johannes M. Lehner

Literatur:

 

Lehner, Johannes M., Philip Schützeneder, Johannes Sametinger: Custom Tokens und Smart Contracts zur Projektsteuerung und Projektkoordination. In: Fill, Hans-Georg, Mayr, Andreas (Hrsg.): Blockchain. Grundlagen, Anwendungsszenarien und Nutzungspotenziale. Im Druck, 2020. Springer.)

 

Lehner, Johannes M.: Löst Blockchain die nächste Krise aus? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. Mai 2016, S. 16.

 


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