In der Krise ist das Timing entscheidend


Ein zentraler Faktor in der Bewältigung von Krisen ist das Timing. Das zeigen Wenzel, Stanske und Lieberman (2020) in der aktuellen virtuellen Sonderausgabe des Strategic Management Journals. Sie orten vier potentielle Reaktionsmöglichkeiten in Krisen:

 

- Einsparungsmaßnahmen und Kürzungen (Reduktion der Geschäftstätigkeit)

- Ausgaben zum Unternehmenserhalt (Aufrechterhalten des Status quo)

- Investition in Innovation und strategische Erneuerung

- Einstellung der aktuellen Geschäftstätigkeit bzw. einzelner Geschäftsbereiche

 

Kurzfristig geht es darum die Liquidität und das grundlegende Überleben des Unternehmens zu sichern. Dies bedingt mitunter drastische Einsparungsmaßnahmen. Allerdings sind Kürzungen zwar häufig eine wichtige Maßnahme zu Beginn einer Krise, sie sind jedoch nicht die einzige Möglichkeit mit Krisen effektiv umzugehen. Mit zunehmender Dauer einer Krise können Einsparungsmaßnahmen und Kürzungen das Unternehmen derart aushöhlen, dass es schwer wird verlorene Geschäftstätigkeiten wieder aufzuholen.

 

Mittel- bis langfristig stellen daher Investitionen in den Erhalt des Status quo bzw. in Innovation und strategische Erneuerung potentiell wirkungsvolle Maßnahmen dar. Dazu bedarf es freier Ressourcen – entweder aus eigenen Reserven oder durch externe Unterstützung (wie derzeit durch die Corona-Krise in vielen Ländern der Fall). Eine vierte Möglichkeit stellt die Einstellung der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens bzw. einzelner Geschäftsbereiche dar. Dies schafft freie Ressourcen für die Nutzung krisenbedingter Geschäftsmöglichkeiten.

 

In Zeiten großer Unsicherheit erweisen sich Investitionen in das Aufrechterhalten der Geschäftstätigkeit durchaus als vorteilhaft. „Quasi-Stabilität“ erzeugt ein Gefühl von Sicherheit und macht Menschen wieder handlungsfähig. Zudem kann ein zu frühes Investieren in Innovation und strategische Erneuerung bei hoher Umweltdynamik und unvorhersehbaren Veränderungen zu Fehlinvestitionen führen. Ein Aufrechterhalten der Geschäftstätigkeit ist jedoch bei längeren Krisen schwierig bzw. unmöglich. Irgendwann versiegen die eigenen Reserven bzw. die externen Quellen. Daher ist es essentiell, rechtzeitig in neue Geschäftsmöglichkeiten und alternative Einnahmequellen zu investieren. Die Krise ermöglicht die Erweiterung dessen was bislang denk- und machbar war. Derart wird Innovation und strategische Erneuerung leichter durchsetzbar.

 

Tiefgreifende längere Krisen verändern viele Branchen unwiderruflich. Es eröffnen sich dadurch vor allem für jene Unternehmen neue Möglichkeiten, welche die strategische Wahl haben Neues durchzusetzen bzw. gemeinsam mit anderen voranzutreiben. Im Creating Competitiveness Modell sind dies die „Dominierer“ und „Antreiber“. Aber selbst für kontinuitätsorientierte Unternehmen eröffnen Krisen strategische Möglichkeiten. „Besteher“ und „Netzwerker“ können beispielsweise durch ausscheidende Mitbewerber hinterlassene Lücken besetzen oder sich in neu entstandenen Nischen positionieren.

 

Sabine Reisinger

Literatur: Wenzel, M., Stanske, S., & Lieberman, M. B. (2020). Strategic responses to crisis. Strategic Management Journal. Advance online publication. https://doi.org/10.1002/smj.3161

 


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